Hintergrund:
„Warum schiebt Ihr das nicht einfach zur Seite und baut neu?“ war quasi die Begrüßungsformel der neu auf der Baustelle erscheinenden Handwerker.
Wir waren fest überzeugt, dass eine energetische Sanierung, Umbau und Instandsetzung des vorhandenen Siedlungshauses die ökologisch und ökonomisch sinnvollere und nachhaltigere Lösung ist. Zudem war es für den Vorbesitzer, der aus Altersgründen das Haus verlassen musste, eine Erleichterung zu
wissen, dass sein Haus nicht abgerissen wird. So gesehen hatte die Maßnahme auch einen sozialen Aspekt.
Konzept:
-Ökologisches Konzept
Fast alle Bauteile können wiederausgebaut, wiederverwendet oder ohne aufwendige Trennung entsorgt werden, bauschaumfreie Baustelle, Bauteile sind im wahrsten Sinne zusammengeschraubt und die Fugen mit Stopfhanf ausgestopft. Holz war in dieser Hinsicht sowohl konstruktiv als auch subjektiv der Baustoff erster Wahl. Vorgehängte Fassade aus wärmebrückenoptimierten Holz-Stegträgern, Zellulosedämmung, Fassade aus unbehandelter, heimischer Lärche, Bodenbeläge aus geölten Eichendielen. Anstelle von Folien diffusionsoffene Konstruktionen aus Holzwerkstoffen.
-Energetisches Konzept
Erstellung eines Energiekonzeptes und Unterstützung bei der Beschaffung von Fördermitteln für ein KfW-Effizienzhaus.
Nutzung des intakten Rohbaus (Wände, Decken, Treppen und Dachstuhl) als Tragkonstruktion und Wärmespeicher, energetisch Sanierung mit möglichst natürlichen Materialien. Angestrebt wurde das Niveau EnEV-30%, (=30% besser als Neubaustandard) eine anschließende Berechnung führte sogar zu einer Unterschreitung der HT ́-Forderung (durchschnittlicher Dämmwert der Bauteile) um 46%. Das Haus unterschreitet Vorgaben der zum Zeitpunkt der Fertigstellung gültigen EnEV somit deutlich und erreicht den KfW55 Standard.
-Haustechnisches Konzept
Regeneratives Energiekonzept, Rückbau der Gastherme, neue Heizlast von nur 4,5 kW wird durch wassergeführten Pelletwohnraumofen in Kombination mit Solarkollektorenanlage und 2,5 KW Mini-Wärmepumpe bereitgestellt. Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (>85%) reduziert die Lüftungswärmeverluste und gewährleistet die optimale Luftwechselrate.
Erhaltene Dreikammerklärgrube wurde gereinigt und zur Regenwassernutzungsanlage (WCs und Gartenbewässerung) mit Überlauf und Versickerung umgebaut.
-Architektonisches Konzept
Zeitpunkt der energetischen Sanierung bietet Chance ein Gebäude architektonisch aufzuwerten, insbesondere Lösung der Schnittstellen zwischen den Gewerken – um die sich sonst niemand kümmert – die irgendwie im Baualltag entstehen und vorzugsweise unter Leisten oder klobigen Verbretterungen verschwinden.
Sichtbarmachung der Entstehungsgeschichte: Zur Straße liegender Altbau aus den Fünfziger Jahren erhält vorgehängte, hinterlüfteten Fassade (mit schwarzen Faserzementtafeln). Später erstellter, gartenseitiger Anbau ist mit Lärchenholz verschalt.
Der sich über zwei Fassadenseiten erstreckende, mit Lärchenholztrapezschalung ausgefachte Schlitz fasst die etwas beliebig angeordneten, vorhandenen Fenster gestalterisch zusammen.
Das homogene Dachgeschoss liegt dann zusammenfassend über den beiden Gebäudeteilen.
Ein klares, ruhiges und einfaches Motiv, das in den engen Grenzen des Bestehenden eine neue Identität schafft.
-Kosten
Feststellung der Sanierungs-/Umbaukosten nach DIN276 Kostengruppen 300+400 (=Baukonstruktion und technische Anlagen)
Die Kosten für ein gleichartiges neues Gebäude lagen ca. 50-60% über den Umbaukosten. Dabei bleibt der notwendige Abriss und bewilligte Fördermittel kostenmäßig sogar unberücksichtigt.
Status:
Fertigstellung 09/2009